Die Glosse
Mit dem Verkauf von PCs über den Lebensmitteleinzelhandel wurde 1997 der Computer als Konsumgut auf eine Stufe gestellt mit elektrischen Haartrocknern oder Kaffeemaschinen.

Man sollte allerdings dabei beachten, daß dieser Kasten gefüllt mit Hochtechnologie im Prinzip auf der Entwicklungsstufe vergleichbar mit den ersten Serienautomobilen steht.

Die hochintegrierten Schaltkreise die in den Speicherbausteinen und den Prozessoren zum Einsatz kommen, sind ebenfalls gerade mal dem Labor entwachsen, wie auch die kompakten Speichermedien CD-RW oder Festplatte. Die Disziplinen heißen schneller, kleiner und mehr Information pro Kubikmilimeter.

Allerdings erwartet man vom "Bediener" keine Kenntnisse was die "Innereien" der Kiste angeht. Ein schlüsselfertig installiertes System sollte sich in der Tat unter ähnlichen Voraussetzungen benutzen lassen wie ein Auto "... der Fahrzeugführer muß körperlich und charakterlich zum fahrzeugführen geeignet sein..."
Hier beginnt allerdings das Problem: Ein frischgebackener Führerscheininhaber käme wohl nicht auf die Idee, selbst Hand anzulegen und sein Fahrzeug mit einem besseren Motor auszustatten, oder, durch Veränderung der Motorelektronik mehr Leistung aus dem Triebwerk zu kitzeln. Beim PC glauben aber viele Zeitgenossen, sie hätten die Fähigkeit, durch Einspielen von Software oder durch Einbau neuer Komponenten das Gesamtsystem mit einer höheren Funktionalität auszustatten.


Dies wird von der Industrie und vom Handel durch entsprechende Anzeigen und Hinweise unterstützt ("Plug & Play", Einschalten und Loslegen). Viele Zeitschriften hauen in die gleiche Kerbe. Mit einigen Bildern im Briefmarkenformat und einem beiligenden "Kochrezept" wird dem Leser die Hand geführt, die Maschine durch einige Umbauten und Erweiterungen aufzuwerten. Im Idealfall klappt alles wie beschrieben. Nur was ist, wenn beim nächsten Start das System "hängenbleibt", oder schlimmer noch, keinen Laut von sich gibt, oder aber als Finale einfach eine kleine Rauchwolke in die Luft pustet und die elektrische Sicherung ihrer üblichen Aufgabe zuführt? Man darf über diese Situation nicht jammern, schließlich ernähren sich dadurch ein Heer von Hotlinebetreuern, Telefonsupportern und ähnliche "Computerpsychologen". Erst wenn garnichts mehr geht, schreit der gescheiterte "Upgrader" dann laut auf und beschwert sich über die schlechte Kundenunterstützung durch den Verkäufer und den Hersteller. Dabei gilt auch hier: "Never change a winning team". Läuft die Kiste von Beginn an, dann bloß nichts dran drehen! Nochmals der historische Rückblick: Die meisten Komponenten, die für den Computer gefertigt werden, sind gerade mal eine Dekade aus den staubfreien Versuchsanstalten auf den Markt entlassen worden.


Die Grundlagen heutiger PC-Technik hat keine drei Jahrzehnte "auf dem Buckel" und ebenfalls seit drei Dekaden wird an Hochschulen in den theoretischen und praktischen Grundlagen dieser Wissenschaft gelehrt, die eine technische Variante aus Elektrotechnik/Elektronik und Mathematik darstellt. Die Praktiker, die schließlich beruflich Hand am Rechner anlegen, sind zwar teilweise mit längerer technischer Erfahrung ausgestattet, beziehen dieses Wissen allerdings aus verwandten Bereichen wie Haushaltgerätetechnik bis zur "braunen Ware" Fernseher und Hifi-Anlagen und oft auch nur aus einer begnadeten Bastlerleidenschaft. Gar abenteuerlich mutet es an, wenn ausgebildete Elektriker ein erfolgreich verlegtes Koaxialkabel beim Kunden für den Netzwerkbetrieb freigeben. Außer einer akuraten Installation und sauber angeschlossenen Wanddosen hat er dann noch den Kabelwiederstand vermessen: "50 Ohm, das ist ok". Wenn es aber dann trotzdem Netzwerkprobleme gibt, sind Brummschleifen und Signaltheorie vielleicht noch im Hinterkopf, aber die Geräteausstattung mit einem LAN-Analyzer wäre für den Meister, der mit Netzwerken selten in Berührung kommt und bestenfalls ein Oszilloskop in der Werkstatt für die Radio- und Fernsehtechnik hat, eine zu große Investition.


Das Gleiche gilt für die Komponente Software: Alle möglichen Scharlatane maßen es sich an, geschwind irgendwelche Konfigurationen hinzuzaubern. Wenn danach das System muckt, weil es halt gewisse Kombinationen von Software nicht mehr richtig "verdaut", weiß der Wizzard plötzlich nur noch einen Rat: "Neu- oder Deinstallieren".
Klopft man dann ab, was der Zauberer denn so für
Grundwissen hat, kann er bereits mit Speicherverwaltung, Garbage Collection, Bandbreite und Warteschlangentheorie nichts anfangen. Wie soll er dann die Werbesprüche diverser Softwareproduzenten einschätzen können? Doch wie oben bereits angedeutet sollte man es vermeiden, über all' diese Zeitgenossen zu laut zu klagen. Schließlich halten diese nach den Gesetzen der Marktwirtschaft die EDV-Branche am "Brummen".


blumenschein@bigfoot.de


Copyright Jürgen Blumenschein; März 1999